Bei der Hitze gibt es ein nächtliches Ritual auf dem Balkon: Wiederholte Lektüre von Kermani im E-Reader ...
Sein unheimliches literarisches und historisches Wissen (wahrscheinlich damals vom Spiegelarchiv gefüttert)und seine langen Sätze zwingen dazu, sich Pausen zu gönnen. Für mich sind anbetracht der Situation der Anlieger von Russland seine persönlichen Eindrücke recht wertvoll. Z.B. seine Auslassung zum Nationalismus während seines Aufenthaltes in Baku:
„Wie Deutschland oder Weißrussland war auch Aserbaidschan anfangs eine sehr literarische Idee. Sie verstanden sich als Nationalisten, die Dichter, Romanciers und Dramatiker, die ihr Volk in die Moderne führen wollten, ja , und doch in einem anderen Sinne, als es im Laufe von zwei Weltkriegen üblich geworden ist; allein schon das Wort Volk hatte noch einen anderen, emanzipatorischen Klang, als es noch nicht zum Völkischen mutiert war, das mit Gemeinschaft ausschließlich die eigene Rasse, Sprache und Religion meint. …....Alles was in St.Petersburg oder Moskau geschrieben oder übersetzt wurde, haben auch die Intellektuellen in Baku verschlungen, die russisch lasen, türkisch sprachen, persisch schrieben. Nationalismus bedeutete also nicht, sich für eine einzige Nation zu entscheiden, das eigene Land über andere zu stellen oder sich nur mit Angehörigen der eigenen Ethnie, Sprache oder Religion zu verbünden; es konnte einmal das Bekenntnis zu einer Humanität sein, die sich aus vielen Kulturen speiste und gegen jedwede Unterdrückung wandte, ob sie kolonial oder autochthon ( eingesessen / einheimisch) war. (S.276 Kapitel Baku und Qubustan )“