Durcheinandertal von Dürrenmatt

Bei Regenwetter das im Jahr 1989 erschienene Buch "Durcheinandertal" gelesen. 

Als Friedrich Dürrenmatts letzter Roman «Durcheinandertal» erschien, zerriss ihn das «Literarische Quartett» in der Luft: «Der Roman heisst nicht nur ‹Durcheinandertal›, er ist auch ein Durcheinander», seufzte die Schweizer Kritikerin Klara Obermüller in der Fernsehsendung. Sie halte ihn für misslungen: «Als hätte Dürrenmatt nochmals in den Fundus seiner Ideen gegriffen und ein Plagiat seiner selbst gemacht.» Kollege Hellmuth Karasek fügte als «peinigende Überlegung» hinzu: «Dürrenmatt sagte einmal, eine Geschichte sei dann zu Ende erzählt, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen habe. Wie kommt es, dass ein Autor von niemandem geschützt wird, bevor er seine schlimmstmögliche Wendung genommen hat?» Sigrid Löffler meinte, Dürrenmatt werde als Schriftsteller wohl überschätzt, «wahrscheinlich ist er immer ein guter Kabarettist gewesen», und Marcel Reich-Ranicki beendete die Diskussion: «Ich finde dieses Buch abscheulich.» (Am Anfang dieses you tube Films kann man das nochmal ansehen !)

Ich bin da eher auf der Seite des Spiegel:

»Durcheinandertal"* heißt, völlig zu Recht, Dürrenmatts jüngste Schöpfung, ein Roman, vom Autor als »metaphysische Posse« gedacht. Er ist auch als poetisches Testament zu lesen, denn er versammelt auf engstem Raume Vertrautes aus des Dichters Kosmos, quasi ein Besuch der alten Dramen. Gangster, Irre, Gottsucher nämlich treten auf, viele vertrottelte Subjekte, vor allem aus der Sphäre schweizerischer Staatsverwaltung. Neben Possenhaftem haftet ihnen, gleichfalls vertraut, Paradoxes an: Gangster wollen Gutes, Irre sind menschlich, und der Gottsucher ist, verständlich, ein passionierter Gattinnen-Mörder. Welttheater mithin, angesiedelt in jenem schweizerischen Durcheinandertal, an dessen einem Hange ein poröses Dorf, auf dem anderen ein pompöses Kurhaus steht. Der Alpentraum freilich trügt, denn er zappelt in einem globalen Netz ...

Dieses Kurhaus gab es wirklich: 

In diesem Artikel wird es kurz geschildert: Das Nobelhotel ist Schauplatz von Friedrich Dürrenmatts Roman „Durcheinandertal“. Der Autor, der seit 1959 zu den Stammgästen des Hotels Waldhaus gehörte, siedelte hier seine letzte, fast klamaukartige Geschichte an. Zum Schluss steht das Hotel in Flammen ....

Doch aus der Fiktion wurde plötzlich brutale Wirklichkeit. Dürrenmatt beendete seinen Roman am 19. April 1989. Gut fünf Wochen später, am 27. Mai 1989, steht das Hotel tatsächlich in Flammen. Bis auf die Grundmauern brennt es nieder, so wie im Roman. Doch es waren nicht die Dorfbewohner, die es anzündeten: Der Brandstifter ist noch immer unbekannt. Ob er sich von Dürrenmatts Roman inspirieren liess, ist reinste Spekulation.

In dem Artikel "Denken im Durcheinandertal" gibt es noch ein Statement des Autors: Um Dürrenmatt zu verstehen, ist zweierlei vonnöten: zum einen die Bereitschaft, das Denken zu lernen, zum anderen ein gewisser Humor. Das gilt namentlich für seinen letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Roman „Durcheinandertal“. Dürrenmatt starb, „vorerkrankt“ zwar, dann aber doch plötzlich und unerwartet, am 14. Dezember 1990. Wenige Tage vor seinem Tod forderte er in einem Gespräch mit Michael Haller „sinnschaffendes Denken“. Dürrenmatt war der Ansicht, dass das Denken und damit zugleich eine Antenne für die eigentlichen Probleme unserer Zeit im allgegenwärtigen Durcheinander von Wissen, Aberglauben und Politik verloren gegangen sei. Er beklagte, dass die Menschen heute Mühe hätten, ureigenen Sinnvorstellungen zu vertrauen, und stattdessen lieber diversen Spekulationen Glauben schenken würden.

Doch sehr aktuell - oder ???