Im Potcast WDR 5 hab ich ein Portrait des Künstlers Günter Rückert gehört. War mir sehr sympathisch. Auch sein Statement zum Kunstbetrieb gefällt mir:
Kokolores und Knete Gedanken zum Kunstbetrieb
Wissen Sie, warum ich niemals eine Galerie eröffnen würde? Weil ich ständig Künstler ablehnen müßte. Ich könnte es nicht übers Herz bringen, so ein armes Schwein, das mit seiner Mappe vorbeikommt, die von Herzblut nur so trieft, abzulehnen. Übrigens, kennen Sie die häufigste Form der Ablehnung? Der Galerist setzt sein ´Alles schon mal dagewesen ´ - Gesicht auf und sagt: „Gefallen mir sehr gut, Ihre Arbeiten“. Aber das nur nebenbei. Ich wüßte auch sonst keinen vernünftigen Grund, Galerist zu werden. Wissen Sie einen? Wäre es nicht besser, Brötchen, Fernseher, Käse, Zahnersatz oder sonst irgendwas zu verkaufen, was Menschen wirklich brauchen? Warum ausgerechnet Kunst, Fragezeichen? Ich nenne Ihnen mal die vier häufigsten Gründe:
1. Die Gattin eines Arztes eröffnet eine Galerie, um durch die laufenden Unkosten die Steuerlast des gut verdienenden Ehemannes zu senken. Die größte Galeriedichte in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, finden wir auf Sylt 2. Ein Künstler, der es nicht geschafft hat, der ständig in Galerien abgewiesen wurde, eröffnet selber eine Galerie, um endlich auf der anderen Seite zu stehen. 3. Es gibt Menschen, die sind besessen davon, Bilder einzurahmen, und eine Galerie bietet eine tolle Gelegenheit, diese Neurose auszuleben. 4. Eine Galerie kann auch ein Ort sein, gewisse kriminelle Energien auszuleben. Das laß ich jetzt mal so stehen. Dazu später mehr. Oder doch, ein ganz kleines Beispiel: Ein Galerist lernt im Urlaub einen italienischen Künstler kennen. Er macht ihm folgenden Vorschlag: Du gibst mir 30 Bilder in Kommission und ich organisiere in Deutschland Ausstellungen für dich. Für jede Ausstellung bekomme ich eins deiner Bilder als Aufwandsentschädigung. Si, va bene, sagt der Künstler, der jetzt international ins Geschäft kommt. Anschließend organisiert der Galerist also Ausstellungen: Stadtbücherei Kamen, Kolpinghaus Meschede, Stadtsparkasse Lünen, Pizzeria Napoli in Ottmarsbocholt usw. Im Nu sind 30 Ausstellungen gelaufen und alle Bilder gehören dem Galeristen. Und die, die er vielleicht verkauft hat, waren solche, die er als Aufwandsentschädigung schon eingesackt hatte. Der Künstler sieht keinen Pfennig Geld und keins seiner Bilder wieder. Das ist nur einer von vielen , vielen legalen Tricks. . Alle Privatgaleristen sind entweder Gangster oder nach zwei Jahren pleite.
Aber wenn eine Galerie schließt, melden sich plötzlich die Käufer:“ Hören ´se mal, Sie haben da doch so einen schönen Grafikschrank? Was woll´n se dafür haben?“ Galerien sind eintrittsfreie Museen samt Kantine, Gesprächstherapie und Partyservice, deren ruhige Atmosphäre durch Kunst nur leicht gestört wird. Galerien sind Orte, durch die hektoliterweise Sekt und Orangensaft, tonnenweise Knabbergebäck und unendliche Wolken geistreichen Geschwafels gepumt werden. Das Wort ´Galerie´ kommt übrigens nicht von Galle, auch nicht von Galeere , Galerien hießen im 10.ten Jahrhundert die Vorhallen der Kirchen, in denen die Heiden, Obdachlosen und Zocker rumlungerten und ihre Geschäfte machten.
Heute werden allerdings nicht die Galeristen dafür kritisiert, daß sie mit Kunst handeln, sondern den Künstlern wird vorgeworfen, daß sie mit ihrer Kunst Geschäfte machen wollen, daß sie ihre Bilder verkaufen wollen. „ Das Ziel des Künstlers wie das von jedermann in diesen Zeiten ist das Geldverdienen, nicht etwa das Streben nach Ruhm wie in früheren Zeiten.“ Das sagte Plinius, der Ältere, ein Zeitgenosse Neros. Nero, der sich selbst für den größten Künstler aller Zeiten hielt, kann er damit aber nicht gemeint haben. Nero, dessen Spezialität schon damals die Performance war, posierte vor dem brennenden Rom, klimperte auf seiner Lyra und sang dazu:“ Unum Navigium adveniat.“, zu deutsch: Ein Schiff wird kommen. Keiner verstand ihn und Geld hat er dafür auch nicht gekriegt. Aber wer im Nebenjob Kaiser von Rom ist, muß auch nicht mit der Mappe unter dem Arm durch die Galerien tingeln, in der Hoffnung, irgendwann im Leben einmal auf das Durchschnittsgehalt eines Edekaverkäufers zu kommen.
Aber fangen wir doch mal ganz von vorne an. Wann ist ein Bild Kunst? Man sollte doch meinen, wenn ein Künstler im Atelier ein Werk fertig hat. Falsch! Erst, wenn dieses Werk durch Galerie, Kunstverein, Museum oder Privatsammlung adoptiert wird, wenn es durch die Mangel des Soziologen- und Feuilletonistengeschwafels der Kunstund Kulturkritiker gedreht wird, dann ist es Kunst. Und sieht am Ende immer noch so aus wie im Atelier. Aber, was das für ein Werk ist, das ist ziemlich egal. Der Kunstbegriff ist soweit erweitert, daß er sich in den Tiefen des Nichts, nein, noch genauer, in den unendlichen Weiten der Nichtigkeit verloren hat. Wabernder Kunstdunst quillt trübe durch die Museen und Fachzeitschriften und suggeriert in jedem Haufen Irgendwas die Chiffre des Höchsten. Beuys heiliges Leben und Labern. Aus jedem Bohrloch, aus jeder Altkleidersammlung, Tomatendose, Käserinde oder Schweinestall wird die Erleuchtung des wahren Gottes gequetscht, auf daß der Kunstbetrieb den ganzen Krempel übernehme. Man kauft nicht Kunst, man kauft den Kommentar.
Und die Künstler? Ein Künstler tut nie das, was verlangt wird. Auch falsch!. Die Welt wäre ja voll von Kunstwerken, die kein Mensch verlangt hat. Es gibt jede Menge Künstler, die dieses Spiel mitmachen. Man braucht sich nur an ein paar einfache Regeln zu halten: Kunst ist auf jeden Fall schon mal das, was von den Nazis verboten würde. Da liegst du immer richtig. Male eine simple Stadtlandschaft und nenne sie „Straße der Gestapo“, hau ein paar wirre Linien auf die Leinwand und nenne es „Gaskammerblues“, vergiß nicht, durch schrundig aufgespachtelte Oberflächen deine innere Aufgewühltheit zu demonstrieren, das kommt immer gut, ein kindlicher Strich wird seit Picasso auch immer gerne genommen und seit Anfang der 80ger (Stichwort Neue Wilde) gehören alle Arten von Körperausscheidungen ebenfalls zum Repertoire. Und, wenn du es dann noch schaffst, dich einigermaßen gut selbst mit zu verkaufen, eine gestrickte Kappe auf dem Kopf, eine speckige Lederjacke, Ränder unter den Augen und eine Feder im Arsch, dann bist du im Geschäft. Zumindest als männlicher Künstler, als Künstlerin noch lange nicht. Frauen sind unerwünscht.
Dafür werden aber die meisten Galerien von Frauen geführt. Eine beliebte Kombination ist: Galeristin, die von ihrem Mann lebt, stellt Künstler aus, der von seiner Frau lebt. Aber das ist eine andere Geschichte. Zurück zur Hauptsache: Zum Geld